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Sind Tagebucheinträge sicher vor den Strafverfolgungsbehörden?

Sie schreiben gerne Tagebuch, um Ihre Gedanken und Erlebnisse festzuhalten? Aber was passiert, wenn Ihre Tagebuchaufzeichnungen von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden? Sind sie dann immer noch privat und geschützt? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16. Mai 2023 – VI ZR 116/22) wirft Licht auf diese Frage und zeigt, dass die Antwort nicht immer eindeutig ist.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs

Im vorliegenden Fall ging es um einen Bankier, gegen den Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung liefen. Im Rahmen des Verfahrens wurden seine Tagebücher beschlagnahmt. Ein Presseverlag veröffentlichte daraufhin Auszüge aus den Tagebüchern auf seiner Website. Der Bankier fühlte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und klagte gegen die Veröffentlichung.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil festgestellt, dass private Tagebuchaufzeichnungen keine „amtlichen Dokumente“ im Sinne des § 353d Abs. 3 StGB Strafgesetzbuches sind. Die Bestimmung, die die öffentliche Mitteilung solcher Dokumente verbietet, gilt daher nicht für Tagebücher. Das bedeutet jedoch nicht, dass Tagebucheinträge immer vor der Strafverfolgung geschützt sind.

Erwägungen des Gerichts

Das Gericht argumentierte, dass die Strafbarkeit von Handlungen gesetzlich bestimmt sein muss, bevor sie begangen werden. Das heißt, dass das Veröffentlichen von Tagebuchauszügen nicht grundsätzlich verboten ist. Es kommt vielmehr auf den konkreten Einzelfall an und eine sorgfältige Abwägung der Interessen.

In diesem Fall wurde berücksichtigt, dass die Veröffentlichung der Tagebuchauszüge das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Meinungs- und Medienfreiheit berührt. Es ging um mögliche Einflussnahmen von Politikern auf Entscheidungen der Finanzbehörden. Die Öffentlichkeit hatte ein berechtigtes Interesse daran, informiert zu werden und sich eine Meinung zu bilden. Die Tagebuchauszüge hatten daher einen besonderen Dokumentationswert und wurden als Teil des geistigen Meinungskampfes betrachtet.

Natürlich gibt es auch Grenzen. Wenn durch die Veröffentlichung von Tagebuchauszügen das Persönlichkeitsrecht einer Person in schwerwiegender Weise verletzt wird, kann dies rechtliche Konsequenzen haben. Der Schutz der Privatsphäre und des sozialen Geltungsanspruchs einer Person sind wichtige Aspekte, die in jedem Einzelfall abgewogen werden müssen.

Schutz Ihrer Tagebücher

Dennoch zeigt dieses Urteil, dass Tagebucheinträge nicht automatisch vor der Strafverfolgung sicher sind. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass Tagebücher im Rahmen eines Strafverfahrens beschlagnahmt und möglicherweise als Beweismittel verwendet werden können. Wer also besonders sensible Informationen in seinem Tagebuch festhält, sollte sich über die möglichen Konsequenzen im Klaren sein.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat auch Auswirkungen auf die Interpretation von Gesetzen. Es verdeutlicht, dass die Strafbarkeit von Handlungen gesetzlich klar definiert sein muss, bevor sie begangen werden. Dies dient dem Schutz der Rechtsstaatlichkeit und der individuellen Freiheitsrechte. Es fordert eine präzise Gesetzgebung, um Willkür und Missbrauch zu vermeiden.

Für den durchschnittlichen Bürger stellt sich nun die Frage, wie man seine Tagebuchaufzeichnungen schützen kann. Zunächst einmal ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass Tagebücher grundsätzlich nicht vor einer Beschlagnahmung im Rahmen eines Strafverfahrens geschützt sind. Wenn jedoch sensible Informationen enthalten sind, sollte man vorsichtig sein und mögliche rechtliche Konsequenzen bedenken.

Um das Risiko einer Veröffentlichung oder Beschlagnahmung zu minimieren, gibt es einige praktische Maßnahmen, die man ergreifen kann. Eine Möglichkeit ist die elektronische Verschlüsselung von Tagebüchern. Es gibt verschiedene Apps und Programme, die es ermöglichen, Tagebuchaufzeichnungen sicher zu speichern und mit Passwörtern zu schützen. Dadurch wird der Zugriff durch Unbefugte erschwert.

Eine weitere Option ist die Verwendung eines physischen Tagebuches mit einem Schloss. Indem man sein Tagebuch physisch absichert, reduziert man das Risiko einer unbefugten Einsichtnahme. Es ist jedoch zu beachten, dass im Falle einer Beschlagnahmung auch ein physisches Tagebuch geöffnet und durchsucht werden kann.

Darüber hinaus ist es ratsam, seine Tagebucheinträge nicht unbedacht mit anderen zu teilen. Selbst wenn man seinen engsten Vertrauten Einblick gewährt, besteht immer das Risiko einer versehentlichen Weitergabe oder eines Vertrauensbruchs. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, wem man vertraut und welche Konsequenzen dies haben könnte.

Individuelle Entscheidung

Letztendlich ist es eine individuelle Entscheidung, ob man Tagebucheinträge verfasst und wie man sie schützt. Es ist jedoch ratsam, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen und mögliche Risiken bewusst zu sein. Die Gesetze und deren Auslegung können sich ändern, und es ist wichtig, auf aktuelle Entwicklungen und Urteile wie das des Bundesgerichtshofs zu achten.

In einer Welt, in der unsere Privatsphäre zunehmend digitalisiert und durchleuchtet wird, sollten wir uns bewusst sein, dass auch Tagebücher nicht vollständig immun gegen eine mögliche Strafverfolgung sind. Es liegt an uns, sorgfältig abzuwägen, was wir in unseren Tagebüchern aufzeichnen und wie wir sie schützen, um unsere Privatsphäre bestmöglich zu wahren.

Als Rechtsanwalt bin ich von Berufswegen verpflichtet stillschweigen zu bewahren. Daher können Sie sich jederzeit vertrauensvoll an mich wenden, wenn Sie Beratung benötigen.

 

Sebastian Geidel

Rechtsanwalt