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Rechtsanwalt Geidel - Kündigungsschutz für Hinweisgeber in der Probezeit

Hinweisgeberschutzgesetz und Kündigung in der Probezeit

Eine Kündigung in der Probezeit kommt für viele Arbeitnehmer unerwartet und wirkt oft so, als hätte der Arbeitgeber „freie Hand“. Doch mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das seit Juli 2023 in Kraft ist, gibt es auch in der Probezeit für Hinweisgeber einen besonderen Kündigungsschutz. Arbeitnehmer, die während ihrer Tätigkeit Missstände aufdecken und daraufhin Nachteile erfahren, werden durch das Gesetz gezielt geschützt. Hier erläutere ich, wie dieser Schutz wirkt und wie Arbeitnehmer praktisch davon profitieren können.

Hinweisgeberschutzgesetz: Kündigungsschutz und Schadensersatz für Arbeitnehmer

Das Hinweisgeberschutzgesetz bietet Arbeitnehmern Schutz, wenn sie Hinweise auf Verstöße gegen Gesetze oder Sicherheitsrichtlinien geben. Vor allem bei Verstößen, die bußgeld- oder strafbewehrt sind, kommt das Gesetz zum Tragen. Es erlaubt es Beschäftigten, Missstände zu melden, ohne Nachteile im Job befürchten zu müssen (§ 36 Abs. 1 HinSchG). Erhalten Hinweisgeber nach einer Meldung dennoch eine Kündigung, greift eine gesetzliche Vermutung: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Kündigung auf objektiven, nicht mit der Meldung verbundenen Gründen basiert.

Hier sind zwei praktische Beispiele, die die Regelungen veranschaulichen:

Beispiel 1: Blockierte Brandschutzwege

Herr S., seit kurzem in der Probezeit in einem Produktionsbetrieb beschäftigt, entdeckt blockierte Brandschutztüren und versperrte Fluchtwege. Auch fehlen wichtige Notausgangsschilder und Brandschutztrainings für Mitarbeiter. Er weist zunächst seinen Vorgesetzten auf die Probleme hin und meldet sie dann zusätzlich beim Betriebsrat. Einige Tage später kündigt ihm der Arbeitgeber.

Dieser Fall zeigt, wie das Hinweisgeberschutzgesetz greifen kann: Da die fehlenden Brandschutzmaßnahmen Leib und Leben gefährden, fällt die Meldung in den Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG). Sollte Herr S. gegen die Kündigung vorgehen, müsste der Arbeitgeber nachweisen, dass objektive, unabhängige Gründe zur Kündigung führten. Scheitert dieser Nachweis, könnte Herr S. Anspruch auf Schadensersatz nach § 37 HinSchG haben.

Beispiel 2: Datenschutzmängel im Betrieb

Frau K., die sich noch in der Probezeit bei einer Bank befindet, stellt fest, dass Kundendaten unverschlüsselt gespeichert und Mitarbeitenden ohne Zugangsberechtigung zugänglich sind. Sie meldet dies dem internen Datenschutzbeauftragten und dem Betriebsrat. Wenige Tage darauf erhält sie die Kündigung.

Auch hier greift das Hinweisgeberschutzgesetz. Die Vernachlässigung von Datenschutzvorgaben stellt einen meldefähigen Verstoß dar, der im HinSchG ausdrücklich erfasst ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. p HinSchG). Frau K. könnte vor Gericht gegen die Kündigung vorgehen und sich auf den Kündigungsschutz des HinSchG berufen. Ihr Arbeitgeber müsste darlegen, dass die Kündigung auf anderen, objektiven Gründen beruht und unabhängig von der Meldung erfolgt ist. Falls die Kündigung unwirksam ist, könnte Frau K. Schadensersatz fordern.

Die wichtigsten Regelungen des Hinweisgeberschutzgesetzes für den Kündigungsschutz

Das Hinweisgeberschutzgesetz stellt sicher, dass Arbeitgeber Missstände nicht durch Kündigungen unter den Tisch kehren können. Die wesentlichen Schutzbestimmungen sind:

  1. Kündigungsschutz von Beginn an
    Hinweisgeber genießen ab dem ersten Tag im Betrieb Kündigungsschutz – unabhängig von Probezeit oder Betriebsgröße. Arbeitgeber können Arbeitnehmer, die Missstände aufdecken, nicht ohne sachliche Begründung kündigen. Kündigungen im Verdacht einer Repressalie gelten in der Regel als unzulässig (§ 33 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 HinSchG).

  2. Beweislastumkehr für Arbeitgeber
    Kündigt ein Arbeitgeber kurz nach einer Meldung, vermutet das Gesetz, dass dies eine Repressalie ist. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Kündigung auf objektiven Gründen beruht und nichts mit der Meldung zu tun hat. Diese Umkehr der Beweislast stärkt die Position des Arbeitnehmers.

  3. Schadensersatzansprüche bei unwirksamer Kündigung
    Ist die Kündigung unwirksam, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz (§ 37 HinSchG). Dieser kann je nach Höhe des entstandenen Schadens beachtlich sein. Arbeitgeber können zudem Bußgelder von bis zu 50.000 Euro drohen, wenn sie gegen das Verbot von Repressalien verstoßen.

Praktische Tipps für Arbeitnehmer

  • Meldungen gut dokumentieren: Hinweise zu Missständen sollten gründlich dokumentiert werden. E-Mails und Berichte dienen als wertvolle Nachweise, die sich im Streitfall als nützlich erweisen.

  • Zeugen einbeziehen: Wenn Kollegen als Zeugen bestätigen können, dass Missstände bekannt waren und gemeldet wurden, stärkt das die Position des Arbeitnehmers in einem Kündigungsschutzverfahren.

  • Rechtsbeistand nutzen: Eine Kündigung nach einer Meldung kann komplex sein. Ein Anwalt hilft, die Kündigungsschutzansprüche zu prüfen und Schadensersatz geltend zu machen, falls die Kündigung unrechtmäßig ist.

Mehr Kündigungsschutz für Hinweisgeber dank Hinweisgeberschutzgesetz

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz sind Arbeitnehmer, die auf Missstände hinweisen, besonders geschützt. Kündigungen im direkten Anschluss an solche Meldungen gelten als verdächtig und können als Repressalien gewertet werden. Arbeitgeber, die den Hinweisgeberschutz missachten, riskieren Bußgelder und Schadensersatzforderungen.

Als Anwalt unterstütze ich Sie gerne, wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, die im Zusammenhang mit einer Hinweisgebermeldung stehen könnte, und helfe Ihnen, Ihre Rechte auf Kündigungsschutz und Schadensersatz durchzusetzen.

 

Sebastian Geidel 

Rechtsanwalt

Fachanwalt für IT-Recht