Wie die Tagesschau im November 2020 berichtete, stieg die Gewalt in privaten Beziehungen in der Corona-Krise an, insgesamt wurden bereits 2019 ca. 141.000 Personen Opfer von häuslichen Delikten innerhalb der Partnerschaft. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen durch Home-Office; Home-Schooling und eher zunehmenden wirtschaftlichen Stressfaktoren in der Corona-Krise deutlich ansteigt. Doch was kann man bei Gewalt im eigenen Zuhause unternehmen?
Nachfolgenden möchte ich Ihnen einige Tipps an die Hand geben, wie Sie mit Gewalt im privaten Umfeld umgehen können.
Prävention statt Reaktion
Der erste Tipp ist weniger juristisch. Hier handelt es sich eher um einen gutgemeinten Hinweis. Wenn Sie merken, dass die Situation in Ihrem Privatleben sich zuspitzt, handeln Sie bereits präventiv. Führen Sie, wenn möglich, ein klärendes Gespräch mit Ihrem Partner oder wenden Sie sich vertrauensvoll an Familie, Freunde und Bekannte. Ebenso können Opferschutzverbände, wie Weisser Ring e.V. oder die Familienhilfe Tipps dazu geben, wie man eine Situation konfliktfrei klären kann.
Wenn Gewalt im Spiel ist
Gewalt muss nicht immer physisch (Schläge, Einsperren etc.) sein. Gerade in Beziehungen oder gegenüber Kindern kann Gewalt auch psychischer (Telefonterror; Schweigen, Beleidigungen etc.) Natur sein. In beiden Fällen müssen Sie dies nicht tatenlos hinnehmen. Das Strafgesetzbuch schützt Sie und Ihre Kinder in vielfältiger Form. So müssen Sie etwa Beleidigungen, oder Nötigungen in einer Beziehung nicht hinnehmen. Ihr Partner kann Sie auch nicht daran hindern die Wohnung zu verlassen, oder zum Sex zwingen. Das alles sind Straftaten, die Sie regelmäßig zur Anzeige bringen sollten. Dabei ist zu beachten, dass eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt jeder Art, nicht nur in der aktuellen Situation erfolgen muss. Eine Anzeige ist jeder Zeit möglich und in der Regel auch online, über die sogenannte Internetwache der Polizei.
Fürchten Sie sich auch nicht davor, dass die Polizei Ihr Anliegen nicht ernst nimmt, weil es im häuslichen Umfeld geschehen ist. Die Polizei ist dazu verpflichtet jeder Anzeige nachzugehen und entsprechende Ermittlungen einzuleiten. Bei einem Notruf, den Sie absetzen ist die Polizei zudem verpflichtet, schnellstmöglich zu erscheinen. Besteht die Gefahr eines weiteren Übergriffes, kann die Polizei anordnen, dass der Täter für mehrere Tage die Wohnung nicht mehr betreten oder sich den Kindern nähern darf.
Zudem kann man auch durch bestimmte Handzeichen Aussenstehenden signalisieren, dass man Opfer von häuslicher Gewalt geworden ist, etwa in Videokonferenzen. In vielen Apotheken ist das Codewort “Maske 19” ebenfalls bereits bekannt und soll dem Apotheker signalisieren, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Gewalttagebuch führen
Egal ob Sie sich für oder gegen eine Anzeige entscheiden, dokumentieren Sie jeden Übergriff für sich so genau wie möglich. Hier bietet sich ein sogenanntes Gewalttagebuch an. Eine Vorlage finden Sie hier.
Dieses kann wie folgt aussehen (die Einträge dienen nur der Darstellung):
Datum | Uhrzeit | Art der Gewalt | Details | Dokumentation |
01.12.2020 | 11:30 | Verbale Gewalt | Lautes Geschrei und Beleidigungen mit „Du Arsch“, „Du Kuh“ etc. | Gedächtnisprotokoll; Tonaufnahmen Handy |
10.12. – 13.12.2020 | Ganztägig | Psychische Gewalt | Strafte mich bewusst mit Schweigen und ignorierte jede Kommunikation; Verließ wortlos den Raum | Gedächtnisprotokoll; Zeugnis meiner Freundin Frau Müller |
13.12.2020 | 0:30 | Körperliche Gewalt | Schlug mich ins Gesicht; Packte mich am Arm, was zu blauen Flecken führte | Fotos; Ärztliche Dokumentation |
Ein solches Gewalttagebuch hat mehrere Vorteile. Zum einen werden sich Opfer so bewusst, wie oft sie Opfer von häuslicher Gewalt werden und in welcher Regelmäßigkeit. Zudem kann damit ein Klima der Gewalt glaubhaft gemacht werden, was es Polizei, Rechtsanwalt und Gericht möglich macht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Zudem hilft es vielen Opfern, die Kontrolle zurückzugewinnen, wenn sie sich durch die ständige Gewalt hilflos fühlen.
Ein solches Gewalttagebuch ist auch für Personen hilfreich, die Opfer von Stalkern oder Angriffen auf der Straße werden. Hier können ähnliche Maßnahmen wie bei häuslicher Gewalt ergriffen werden.
Gewaltschutzverfahren
In vielen Fällen kann die Polizei nicht weiterhelfen. Sei es, weil Opfer ihre Anzeige wieder zurückziehen oder weil nicht genügend Beweise für eine weitere Ermittlung vorliegen. In diesem Fall fühlen sich viele Opfer hilflos und allein gelassen. Hier kann aber eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzverfahren Abhilfe leisten.
Gewaltopfern steht die Möglichkeit zu im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes eine einstweilige Verfügung zu erwirken, die es dem Täter verbietet sich dem Opfer zu nähern oder Kontakt mit dem Opfer aufzunehmen. Hierzu muss das gewalttätige Verhalten gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht werden. Das erfolgt meist über eine eidesstattliche Versicherung. Diese können Sie bei Gericht oder gegenüber ihrem Rechtsanwalt abgeben. In vielen Fällen reicht es, wenn Sie Ihr Gewalttagebuch übersenden und dem Rechtsanwalt oder Gericht schildern, was konkret passiert ist. Zusätzlich können Sie die Vorgangsnummern von Polizeieinsätzen oder ärztliche Atteste dazu nutzen ihre Aussage glaubhaft zu untermauern.
Soweit die letzte Handlung weniger als zwei Wochen her ist, kann im Rahmen eines Eilverfahrens ein solcher Gewaltschutzantrag bei Gericht veranlasst werden. Die Entscheidung erfolgt meist binnen 2 – 3 Tagen. Eine daraus folgende Anordnung ist in der Regel auf sechs Monate befristet, kann aber bei anhaltender Gefahrensituation verlängert werden.
Die Verfahrenskosten für ein solches Verfahren werden regelmäßig nach billigem Ermessen zu Lasten des Antragsgegners ergehen.
Sollte der Täter gegen diese Anordnung vorgehen, kann er Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegen. In diesem Fall kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, in welcher der Antragsgegner die Möglichkeit erhält, seine Sicht der Dinge zu schildern.
Sind Sie Opfer von häuslicher Gewalt geworden oder droht Ihre Situation Zuhause zu kippen? Dann kontaktieren Sie mich und ich berate Sie gerne individuell hinsichtlich Ihrer Möglichkeiten.