BGH entscheidet über den Umfang des Auskunftsanspruchs von Verwertungsfirmen gegen Benutzer von YouTube
(BGH-Urteil vom 10.12.2020 – Az. I ZR 153/17)
Das Hochladen von urheberrechtlich geschützten Videos auf YouTube erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit bei Nutzern. Zum Teil werden ganze Spielfilme oder Serien hochgeladen und für alle Nutzer zur Verfügung gestellt. Einige Nutzer von YouTube spiegeln die Videos, verzerren sie oder erhöhen die Abspielgeschwindigkeit, um dem YouTube-Filter zu umgehen. Doch auch wenn das besagte Video nicht vom Algorithmus erfasst wird, stellt das Hochladen von Filmen und Serien einen Urheberrechtsverstoß dar.
Ein kurzer Rechtsüberblick:
Nach § 101 Abs. 1 UrhG kann derjenige, dessen Urheberrecht verletzt worden ist, von demjenigen der das Urheberrecht verletzt hat Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg des urheberrechtlich geschützten Werkes verlangen. Nach § 101 Abs. 3 UrhG umfasst dieser Auskunftsanspruch Namen und Anschrift des Herstellers, Lieferanten und andere Vorbesitzer des Vervielfältigungsstücks. Was jedoch genau von dem „Anschrift“-Begriff umfasst ist, war Streitpunkt der Entscheidung des BGH vom 10.12.2020.
Der Sachverhalt in aller Kürze:
In den Jahren 2013 – 2014 luden YouTube-Nutzer die Filme „Park“ und „Scary Movie 5“ auf der Plattform YouTube hoch. Die Klägerin, eine Filmverwertungsfirma, verlangte von YouTube Auskunft über die Nutzer der YouTube-Profile. Die Parteien stritten unter anderem darüber, ob von der Auskunftserteilung auch E-Mailadresse, Telefonnummer und die IP-Adresse erfasst ist. Von besonderem Interesse war die IP-Adresse, welche erzeugt wurde, zum Zeitpunkt, indem die Filme hochgeladen wurden. Hintergrund war, dass die Klägerin gegen die YouTube-Nutzer die Rechtsverfolgung wegen einer Urheberrechtsverletzung betreiben wollte.
Wie entschieden die vorherigen Instanzen?
Das Landgericht wies die Klage der Filmverwertungsfirma noch ab. In der anschließenden Berufung gestand das Berufungsgericht nur eine Auskunft über die E-Mailadresse der Nutzer zu. Die darauf hin erfolgte Revision landete Schluss endlich vor dem BGH und zum Teil auch vor dem EuGH.
Die Rolle des EuGH:
Der BGH sah sich am 21.02.2019 nicht in der Lage diese Frage, ohne den EuGH anzurufen, zu klären. Mithin beschloss der BGH dem EuGH die Frage vorzulegen, ob sich die in Art. 8 Abs. 2 lit. a der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums geregelte Auskunftspflicht von Personen, auch auf die E-Mailadresse, Telefonnummer und IP-Adresse der Nutzer der Dienstleistung erstreckt. Dies verneinte der EuGH in seiner Entscheidung vom 9.07.2020 Az. C-264/19. Dem folgte auch der BGH in seiner hier besprochenen Entscheidung.
Der Auskunftsanspruch aus § 101 Abs. 3 UrhG hinsichtlich „Name und Anschrift“ schließt nicht die Auskunft über E-Mailadresse und Telefonnummer des Nutzers ein. Ebenso ist davon nicht die IP-Adresse umfasst, die ein Nutzer beim Hochladen der Filme verwendete.
EuGH bestimmt die Entscheidung des BGH:
Der BGH begründet sein Urteil auf Basis der Entscheidung des EuGH. Demnach deckt sich der Begriff „Anschrift“ aus § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG mit dem der „Adresse“ aus Art. 8 Abs. 2 lit. a der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Beide Begriffe beziehen sich nicht auf die E-Mailadresse des Nutzers, dessen Telefonnummer oder auf die IP-Adresse, die verwendet wurde, als mit dem Profil ein urheberrechtlich geschützter Film hochgeladen wurde. Für eine weitere (dynamische) Gesetzesauslegung des § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG über die Regelungen des Art. 8 Abs. 2 lit. a der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, sieht der BGH keine Möglichkeit. Der Auskunftsanspruch bezieht sich damit nur auf den Namen und die Anschrift des Profilnutzers. Zudem schließt der BGH einen weitergehenden Anspruch etwa aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB ebenfalls aus.
Wertung der Entscheidung:
Für die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen und die anschließende Beweisführung der Verletzung stellt dieses Urteil ein Hindernis dar. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist jedoch zu begrüßen, dass der BGH bei einer Urheberrechtsverletzung kein grenzenloses Auskunftsrecht einräumt, sondern sich klar auf den Wortlaut des Gesetzes bezieht. Nutzer von YouTube können somit Ihre Telefonnummer und E-Mailadresse in Ihrem YouTube-Profil angeben ohne Gefahr zu laufen, dass diese Informationen an Dritte herausgegeben werden, um etwaige Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen.
Entwarnung für YouTube-Nutzer, die Filme oder Serien hochladen, an denen Sie keine Urheber- oder Nutzungsrechte haben, bedeutet dieses Urteil jedoch nicht. Von dem Auskunftsgesuch ist weiterhin der Name und die Adresse des Nutzers umfasst. Eine Rechtsverfolgung wird damit für einen Verwerter weiterhin möglich sein, wenn auch erschwert.
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