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Widerruf von Kredit- und Leasingverträgen, was einem keiner sagt

Doch kein „Widerrufs-Joker“ bei Sixt und Co.

Immer wieder findet man Werbeanzeigen von Anwaltskanzleien, die wie folgt lauten: „Jetzt Widerrufs-Joker nutzen!“, „Leasingauto ohne Kosten fahren!“, „Sensationsurteil für Verbraucher, alle Kreditverträge ungültig!“. In Zeiten des anhaltenden Niedrigzins und einer von der Coronapandemie gebeutelten Wirtschaft klingen solche Angebote zum Teil sehr vielversprechend. Doch was ist dran an solchen Werbeversprechen und warum widerrufen nicht alle sofort ihren Stinkedieselvertrag? Im Nachfolgenden Artikel werden Ihnen fünf Umstände dargestellt, die bei solchen Versprechen gerne mal unter den Tisch fallen.

Hintergrund des Ganzen sind seit Jahren aufkommende Urteile, in denen Verbrauchern das Recht zugesprochen wird, Kredit- oder Leasingverträge zu widerrufen. Brisant dabei ist, dass die Widerrufsfristen der Kredit- oder Leasingverträge in den meisten Fällen bereits abgelaufen sind und somit kein Widerrufsrecht mehr besteht. Nun argumentieren Verbraucheranwälte, dass auf Grund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung, die Widerrufsfrist gar nicht begonnen hat und somit quasi ein unendliches Widerrufsrecht auch über die eigentliche Vertragslaufzeit hinaus besteht. Gestützt wird diese Argumentation vor allem durch das neuste Urteil des EuGH vom 09.09.2021, welcher diese Ansicht noch einmal betont. 

1. Spezialisierte Anwälte verteidigen Banken und Leasinggeber

Banken und Leasinggeber sind regelmäßig sehr finanzstark. Das bedeutet auch, dass Banken und Leasinggeber für rechtliche Beratung viel Geld ausgeben, um ihre Ansprüche zu schützen. Das ist auch sinnvoll, denn wenn sich rumspricht, dass jede Bank oder jeder Leasinggeber auf Grund der obigen Urteile sofort einbricht und Verbraucherkredite und Leasingverträge sofort rückabwickelt, so könnten diese wohl sehr schnell Konkurs anmelden.

Daher bedienen sich Banken und Leasinggeber hoch qualifizierter Anwaltskanzleien, die auf Banken- und Kreditrecht spezialisiert sind. Ganze Teams aus Fachanwälten sind hier damit beschäftigt Argumente zu finden, dass ihr Leasingvertrag oder Ihr Verbraucherkreditvertrag gerade nicht widerrufen werden kann. Zum Teil führt dies aber auch dazu, dass man im Falle eines Widerrufs seitenlange E-Mails oder Briefe erhält, die einem erklären, warum man keinen Widerruf geltend machen kann. Mit dem eigentlichen Vertrag müssen diese Schreiben nicht immer in Verbindung stehen. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Vorlagen, die zu tausenden an Verbraucher versendet werden, die von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machten. Verbraucher und manche Anwaltskollegen lassen sich hierdurch schnell verunsichern und sehen auf Grund der Antwort, davon ab, ihren Anspruch weiter zu verfolgen.

Weiterhin kann es zum Teil schwierig sein einen Rechtsanwalt zu finden der bereit ist, sich gegen die Anwaltskanzleien der Banken und Leasinggeber zu stellen.

2. Nicht alle Kredit- oder Leasingverträge werden erfasst

Die Werbeversprechen klingen meist zu gut, um wahr zu sein. So wird regelmäßig versprochen, dass alle Kreditverträge und alle Leasingverträge widerrufen werden können. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist zunächst entscheidend, dass der Vertrag zwischen Bank oder Leasinggeber und Ihnen als Verbraucher geschlossen wurde. Als Verbraucher werden Sie angesehen, wenn Sie den Vertrag überwiegend zum privaten Zweck abgeschlossen haben. Das heißt gewerbliche Kredit- und Leasingverträge sind regelmäßig vom „Widerrufs-Joker“ ausgeschlossen.

Darüber hinaus bezieht sich das Urteil des EuGH nicht auf Immobilienverträge. Das heißt, haben Sie Ihr Eigenheim mit einem Verbraucherkredit finanziert, ist dieser Vertrag nicht von den Urteilen erfasst.

Bei Leasingverträgen gehen die Anwälte der Leasinggeber noch einen Schritt weiter. So wird regelmäßig argumentiert, dass ein Widerrufsrecht bereits deswegen nicht besteht, weil hier eine Bereichsausnahme nach § 312g BGB vorläge, da es sich hierbei um einen Kraftfahrzeugmietvertrag handelt. Solche Verträge, die vor allem darauf gerichtet sind, ein Beförderungsmittel bereitzustellen, würden nicht vom Widerrufsrecht erfasst. Das hierauf aber auch vor Vertragsschluss hingewiesen werden muss, fällt gerne mal bei der umfangreichen Argumentation unter den Tisch. Zudem wird auch hilfsweise eingewendet, dass die Ausübung eins Widerrufsrechts sittenwidrig sei.

Zuletzt muss der jeweilige Vertrag auch tatsächlich Fehler aufweisen und über Fernkommunikationsmittel geschlossen sein (Fernabsatzvertrag). Um dieses herauszufinden, bedarf es einer eingehenden Prüfung des Vertragswerkes.

3. Ungewissheit durch lange Dauer

Ein weiterer Aspekt ist hier nicht zu unterschätzen, und zwar die Zeit. Ein Widerruf ist schnell eingelegt, hier helfen unzählige Muster, die im Internet zu finden sind. Doch so schnell wie ein Widerruf geschrieben und abgeschickt ist, kommt das Geld nicht zurück auf das eigene Konto. Vielmehr verstreicht die gesetzte Frist entweder ohne eine Antwort der Bank oder des Leasinggebers oder es melden sich direkt die Rechtsanwälte der Gegenseite, mit ihren standardisierten Antwortschreiben. In vielen Fällen ist hierdurch bereits die erste Euphorie der Kunden vergangen und man hat kein Interesse daran, sich seitenweise mit Anwälten zu streiten.

Hinzu kommt, dass Reaktionen auf das erste Standartschreiben, meist nicht oder nur sehr schmallippig beantwortet werden. Einen außergerichtlichen Vergleich kann man so meist nicht erzielen. Die Rechtsanwälte der Banken und Leasinggeber halten sich bewusst bedeckt, um Ihre Verteidigungsstrategie, vorprozessual, nicht preiszugeben.

Die meisten Verfahren enden dann vor Gericht. In diesem Fall braucht man einen langen Atem, um an sein Recht zu kommen. Hier werden regelmäßig hunderte Seiten an Schriftsätzen verfasst und die Anwälte der Banken und Leasinggeber warten mit unzähligen Gerichtsurteilen auf, die gegen den Widerspruch des Verbraucherkredites oder dem Leasingvertrag sprechen. Einige Landgerichte lassen sich zum Teil durch die überwältigende Urteilsflut beeindrucken und weisen die Klage ab. In diesen Fällen bleiben nur die Berufung und Revision, wenn man an seinem Recht festhalten möchte.

Hier muss der Verbraucher Zeit mitbringen. Es ist nicht unüblich, dass solche Widerrufsverfahren ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Sollte das Ganze in die Rechtsmittelinstanzen gehen, kann es auch länger dauern. Unruhe entsteht dann, wenn gleichzeitig das Vertragsende ansteht, etwa beim Leasingvertrag und der Leasinggeber damit droht, Strafzahlungen zu erheben, sollte man den PKW nicht zurückgeben. Gleiches kommt in Betracht, wenn das Ende des Kreditvertrages ansteht und etwa eine Ballonrate fällig wird.

4. Nicht alle Gerichte Teilen die Ansicht des EuGH

Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand. So lautet eine landläufige Weisheit, die gerade in diesem Bereich einen wahren Kern hat. Denn auch wenn die Rechtslage für einen spricht und man seine Auffassung sowohl mit Beweisen untermauern kann und auch einschlägige Rechtsprechung für einen aussagt, heißt das nicht, dass man auch zwangsweise Recht erhält.

Deutschlandweit haben sich bereits duzende Kammern und Senate mit dem Thema Widerrufsrecht von Verbraucherkreditverträgen und Leasingverträgen beschäftigt. So vielfältig wie die deutsche Gerichtslandschaft ist, so unterschiedlich fielen auch die Urteile aus. Es gibt bereits eine sehr lange Liste an Senaten und Kammern, quer durch die Bundesrepublik, die sich gegen das Widerrufsrecht ausgesprochen haben. Die Begründungen sind dabei sehr unterschiedlich. Sie reichen von Sittenwidrigkeit, bis hin zu Einzelfällen, bei denen der spezielle Vertrag vom Widerrufsrecht nicht erfasst sein soll

Es kann also nicht mit Gewissheit gesagt werden, dass man in jedem Fall erfolgreich ist. Selbst der BGH teilte bisher nicht die Ansicht des EuGH im Bereich des Verbraucherschutzes. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH hier seine Rechtsprechung überdenken wird und sich den europäischen Vorgaben beugt.

5. Hohe Prozesskosten dank Anwaltszwang

Letztlich ist das Beharren auf dem Recht auch eine kostspielige Angelegenheit. Leasing- oder Kreditverträge belaufen sich meist auf mehrere tausend Euro und daran berechnen sich auch die Anwaltsgebühren. Durchschnittlich liegt die Höhe eines Verbraucherkredites bei ca. 15.000 EUR. Diese 15.000 EUR sollen hier als Beispiel dienen, wie viel ein Prozess zum Widerruf des Verbraucherkredites kosten könnte.

Für die außergerichtliche Tätigkeit in diesem Fall berechnet ein Anwalt nach RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) bereits 1.134,55 EUR inklusive Mehrwertsteuer.

Geht der Prozess in die erste Instanz entstehen zusätzliche Kosten in Höhe von 1.604,48 EUR in der zweiten Instanz bereits 2.416,18 EUR und in der Dritten sogar 3.270,60 EUR. Einen Anwalt müssen Sie sich hier auch nehmen, denn vor den Landgerichten herrscht Anwaltszwang. Hinzu kommen hier noch Gerichtskosten und die Kosten des gegnerischen Anwalts, welche man zu tragen hat, sollte man den Prozess verlieren. Insgesamt kann ein Widerruf eines Verbraucherkredits in Höhe von 15.000 EUR schnell ca. 20.000 EUR und viele Jahre kosten, wenn man sich durch alle drei Instanzen klagen möchte. Der Schritt sollte also gut überlegt sein.

Ihre konkreten Kosten können Sie hier auch nachrechnen.

Fazit

Das neuste Urteil des EuGH stellt ohne Zweifel eine Stärkung der Verbraucherrechte dar. Diese Rechte jedoch durchzusetzen kann zum Teil langwierig und durchaus beschwerlich sein und birgt auch ein erhebliches finanzielles Risiko. Die Entscheidung, seinen Verbraucherkredit- oder Leasingvertrag zu widerrufen, sollte daher gut überlegt sein. Dem Versprechen von windigen Anwälten das Geld problemlos zurückzubekommen, sollte hier nicht blind vertraut werden. Einen einfachen und vor allem schnellen Weg gibt es hier häufig leider nicht.

Sollten Sie sich dennoch entscheiden Ihren Kredit- oder Leasingvertrag widerrufen zu wollen, können Sie sich gerne bei mir melden. In einem gemeinsamen Gespräch weise ich Sie auf die einzelnen Stolpersteine hin und prüfe Ihren Vertrag hinsichtlich der bestehenden Möglichkeiten. Gerne können Sie mich hierzu kontaktieren.

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